Im Folgenden erfahren Sie einiges zur wechselvollen Geschichte des rund 450-jährigen Wettsteinhäuschens:
1571
Das heute inmitten der Stadt etwas deplatziert anmutende Rebhäuschen lag ursprünglich ausserhalb der Stadtbefestigung, inmitten von Reben. Das schmucke, zweigeschossige Häuschen mit quadratischem Grundriss und einer Seitenlänge von lediglich 5 Metern, besteht aus einem gemauerten Erdgeschoss und einem allseitig vorkragenden Obergeschoss in Riegelbauweise.
Während das Erdgeschoss zur Aufbewahrung der Gartengeräte diente, wurde das Stübli im Obergeschoss wohl als Ort für gemütliches Beisammensein genutzt.
An der nordöstlichen Ecke fügt sich ein Treppenturm an, in dem sich heute der Hauseingang befindet. Das Fenster daneben mit dem eingravierten Datum im Fenstersturz, ist Teil des Renaissance – Gewändes der originalen Eingangstür, die sich ursprünglich an diesem Ort befand. Die Jahreszahl von 1571 weist vermutlich auf das Baudatum dieses Rebhäuschens hin.
Die Stadtansicht von Matthäus Merian aus den Jahren um 1615 gibt einen guten Eindruck der damaligen Situation vor dem Riehentor: Der von Riehen her fliessende Kleinbasler Teich bog vor der Stadtmauer nach rechts ab und floss parallel der Mauer weiter rheinabwärts. Über eine Brücke bei der Säge führte der Weg entlang den eingezäunten Gärten. Der Garten des Wettsteinhäuschens fällt auf durch verschiedene romantisch anmutende Inszenierungen: Durch einen mit Zinnen ausgestatteten Durchgang trat man in einen langen Spaliergang. Die Reben sind durch ein weiteres Palisadentor vom Häuschen getrennt, welches seitlich mit kleinen Barockgärtchen versehen war. Stadtseitig befand sich ein rechteckiger Weiher – alles gut geschützt vor den Blicken Neugieriger.
Skulptur Johann Rudolf Wettsteins von Alexander Zschokke:
Der Bildhauer Alexander Zschokke, der rund 300 Jahre später das Wettsteinhäuschen durch ein Atelier erweitern liess, erschuf in diesem den Wettsteinbrunnen bei der Theodorskirche.
1648
1648 ging das Wettsteinhäuschen in den Besitz von Johann Rudolf Wettstein, Bürgermeister von Basel, über. Im selbes Jahr nahm Wettstein als Gesandter an den Verhandlungen zum Westfälischen Frieden teil, die schliesslich zum Ende des Dreissigjährigen Krieges führten.
Wettstein wird das nach ihm genannte Rebhäuschen wohl kaum primär zur Aufbewahrung von Gartenwerkzeugen verwendet haben. Diese Funktion trat wohl in den Hintergrund. Viel eher diente das Häuschen dem geselligen Beisammensein oder möglicherweise genoss der Politiker es auch als Rückzugsort von seinem anstrengenden Alltag.
1749
1749 erwarb der Kaufmann Leonhard Ryhner das Wettsteinhäuschen. Er liess 1750 an der heutigen Ecke Hammerstrasse / Riehenstrasse durch den bekannten Architekten Samuel Werenfels das Ryhinersche Landhaus erbauen. Der barocke Bau bildete zusammen mit dem Wettsteinhäuschen ein prächtiges Areal mit Gärten und Weiher, welches von der heutigen Hammerstrasse bis hin zum Teich vor der Stadtmauer reichte.
1793
1793 ist das Ryhinersche Landhaus verkauft worden. Beidseits des barocken Hauses wurden nun Anbauten angefügt, in denen 1824 die erste mechanische Schappespinnerei entstand, welche später nach Arlesheim dislozierte. In den leer gewordenen Industriebauten entstand eine Bandfabrik. Entlang der Hammerstrasse wurden weitere Manufakturen gebaut. Der Fabrikant J. J. Richter – Linder hat sich zudem um 1844 ein herrschaftliches Wohnhaus errichten lassen, das 1908 zum Schulhaus umgebaut wurde. Von nun an erfährt das Wettsteinhäuschen ein Dasein im Schatten dieser Fabrikbauten.
Um 1860
Rückbau der Stadtbefestigung. Mit dem Abbruch der Stadtmauer und der Zuschüttung des Grabens entstand eine breite Allee – der heutige Claragraben – entlang diesem, mehrere Schulhäuser gebaut wurden. Die Schulhäuser lösten allmählich die Bandfabriken ab.
Das Wettsteinhäuschen verkam in der Folge zu einem schlecht gepflegten Relikt aus vergangener Zeit. Immer wieder wurde eingebrochen und dabei das Anwesen verwüstet. Verschiedenste Nutzungsversuche blieben erfolglos. So entwarf der damalige Stadtgärtner (M. Scholer) 1894 einen Kinderspielplatz bzw. eine öffentliche Anlage. Selbst eine Nutzung als Tennisplatz wurde an diesem Ort in Erwägung gezogen. Aber alles blieb schliesslich unrealisiert.
1894 – 1898
Abb. Künstlergesellschaft im Garten des Wettsteinhäuschens: Ab 1894 nutzte die Basler Künstlergesellschaft das Rebhäuschen als Vereinslokal. Nur fanden die Vereinsmitglieder kaum Platz darin und so baten sie die Behörden um die Bewilligung eines Anbaus. Aber auch dieser wurde nie realisiert. Bereits vier Jahre später, im Frühjahr 1898, verschob die Künstlergesellschaft ihr Domizil in die jetzige Kunsthalle. Geblieben ist ein Foto mit vielen Vereinsmitgliedern und Künstlern, aufgenommen im Garten des Wettsteinhäuschens. Darunter auch Prominente wie Ferdinand Hodler oder Cuno Amiet.
1898
Hans Frei, Medailleur: 1898 mietete der Medailleur Hans Frei das Wettsteinhäuschen, das sich seit 1890 im Besitz der Stadt Basel befand. Allerdings beklagte auch er den schlechten Zustand des Häuschens «sämtliche Fenster sind zerbrochen und die Wände zerschunden…». Nach nur drei Jahren gab er sein Atelier wieder auf.
1907
Mit der Zuschüttung des Teichs im Jahre 1907 war nun auch der Zugang zum Wettsteinhäuschen von der Stadtseite her möglich. Die Erschliessung erfolgte fortan über den neu erstellten öffentlichen Vorplatz an der Rückseite des ehemaligen Rebhäuschens.
1918
1918 beklagte der damalige Mieter die Zustände in und um das Wettsteinhäuschen und bat die Regierung, das Areal zu umzäunen, um die «Strassenjugend und Obdachlosen am Betreten zu hindern».
1923
1923 forderte auch der Heimatschutz die Regierung auf, dafür zu sorgen, « …, dass das historisch interessante Gebäude nicht allmählich in Verfall gerate».
1937
Der Basler Bildhauer Alexander Zschokke kehrte 1937 von Deutschland zurück, wo er als Professor für Bildhauerei tätig war. Er wurde beauftragt, einen Brunnen vor dem neu gebauten Kunstmuseum zu gestalten. Die Herstellung der Figurengruppe des Brunnens benötigte viel Platz. Daher entwarf ihm der Architekt des Kunstmuseums, Rudolf Christ, einen hölzernen Pavillon als Atelier. Er fügte den filigranen Holzständerbau seitlich an das Wettsteinhäuschen an. Anfänglich soll Zschokke auch nebenan im Wettsteinhäuschen gewohnt haben. Eigentlich war der Pavillon nur als 10-jähriges Provisorium bewilligt. Der Bildhauer benutzte das Atelier aber bis zu seinem Tod im Jahre 1981.
Alexander Zschokke errang in der Zeit, in welcher er in Basel als Bildhauer tätig war, hohes Ansehen und schuf weitaus mehr Skulpturen im öffentlichen Raum als alle anderen seiner Zeitgenossen. Noch heute weist das Atelier Spuren seines Schaffens auf. Von den in Bronze gegossenen oder in Stein gehauenen Skulpturen, welche einem vom öffentlichen Raum her vertraut sind, erkennt man die eine oder andere Skulptur in Gips hier im Atelier wieder.
1945
Das Wettsteinhäuschen wurde unter Denkmalschutz gestellt. Inzwischen ist auch der als Provisorium erstellte Atelieranbau in das Inventar der schützenswerten Bauten eingetragen.
1981
Seit 1981 bis zu seinem Tod 2015 nutzte Steinmetzt Joseph Bossart, der hauptsächlich Grabmäler erstellte, Atelier und Wettsteinhäuschen. Er beliess die meisten Gipsoriginale von Zschokke so wie er sie angetroffen hatte. Er gestand sich im Atelier lediglich eine kleine Arbeitsfläche zu, die durch einen textilen Vorhang von den Arbeiten Zschokkes abgetrennt war.
2017
Petra Zschokke, die Tochter des Bildhauers, ist heute noch Mieterin des Wettsteinhäuschens. Sie beauftragte 2017 den Bildhauer Michele Cordasco damit, die zum Teil inzwischen schadhaft gewordenen originalen Gipsskulpturen ihres Vaters zu reparieren. Dabei entstand bei ihm die Vision, dieser Ort «als Kreativort in die Zukunft zu überführen». Petra Zschokke fand Gefallen an diesem Gedanken und übergab Michele Cordasco den Schlüssel der Liegenschaft. Dieser schloss sich zusammen mit seinem Berufskollegen David De Caro und gründete daraufhin den Verein «WETT Atelier für plastisches Wirken».